Hintergrund

Das Thema Leihmutterschaft hat im Zuge der Corona-Krise Schlagzeilen gemacht: In der Ukraine warten viele Babys darauf, von ihren Wunscheltern abgeholt zu werden. Durch diesen Umstand bekommt die transnationale Leihmutterschaft plötzlich weltweit Aufmerksamkeit. Kurze Zeit vor diesem medialen Ereignis, habt ihr euch für die Produktion GLOBAL BELLY am Theater Freiburg begonnen, mit dem Thema auseinanderzusetzen. Hattet ihr vor dieser Produktion schon Berührungspunkte mit dem Thema transnationale Leihmutterschaft, eine Meinung bzw. Haltung dazu?

Stefanie Mrachacz: Ich hatte nicht wirklich auf der Netzhaut, dass es das gibt. Ich kenne Regenbogenfamilien, wo ein schwules Paar und ein lesbisches Paar gemeinsam ein Kind bekommen haben. Aber auch da weiß ich zum Beispiel nichts über die Entstehung des Kindes. Und ich kenne ein heterosexuelles Paar, das gerade die In-vitro-Fertilisation anwendet. Aber Leihmutterschaft hatte ich bisher noch nicht auf dem Schirm.

Atischeh Braun: Bei mir ist es genauso. Ich hatte vorher keine Berührungspunkte mit dem Thema. Ich habe mal gelesen, dass eine Leihmutter auf ihren Zwillingen „sitzen geblieben ist“, weil die Wunscheltern die Kinder dann doch nicht mehr wollten. Das hatte mich schockiert und ich wollte mich eigentlich mit dem Thema intensiver beschäftigen. Ansonsten habe ich mir dazu keine Gedanken gemacht.

Flinn Works – ein Theaterkollektiv aus der freien Szene – hat für GLOBAL BELLY mit ihren Schauspieler_innen über ein Jahr lang recherchiert. Die Gruppe ist nach Indien, Amerika und in die Ukraine gereist, hat mit Leihmüttern, Ärzt_innen, Agent_innen und Jurist_innen gesprochen und hat sich durch große Mengen an Fachliteratur gearbeitet. Nun wird dieses Stück am Theater Freiburg mit u. a. euch beiden neu aufgelegt. Ihr arbeitet euch nun innerhalb von fünf Wochen in dieses Thema ein, sprecht mit den ursprünglichen Schauspieler_innen etc. Das ist für euch bestimmt ein sehr ungewöhnlicher Probenprozess. Könnt ihr beschreiben, wie dieser abläuft?

Atischeh: Das Team hat wirklich sehr gut recherchiert und dadurch hat man eine Fülle an Vorbereitungsmaterial – Texte, Filme etc. Diese Fülle an Material hat erst mal dazu geführt, dass sich alles verwoben hat, ich war nur noch verwirrt. Und jetzt versuche ich mir, das Nötige für meine Rolle der indischen Ärztin rauszuziehen. Ich vertraue darauf, dass ich aus dem mir angeeigneten Wissen einen Faden spinnen kann, der mir hilft eine Person zu verkörpern. Den Weg finde ich spannend – klar bekommt man von der Dramaturgie immer Begleitmaterial, das ich zugegebenermaßen selten lese – aber in der freien Szene, ist das normal, dass man sich zuerst diesen Background aneignet.

Stefanie: Wenn man ein Dokumentartheaterstück macht, wenn man an einem Abend komplexe Inhalte vermitteln will, beginnt man klarerweise mit einer inhaltlichen Recherche. In diesem Fall muss ich die Recherche aber nicht selbst tätigen, mich von einem Video zum nächsten klicken, sondern das Team hat bereits selektiert, was für uns wichtig ist. Zugleich finde ich es spannend, dass es natürlich noch viele weitere Perspektiven auf dieses Thema gibt, z. B. die von Transgenderpaaren. Ich bin aber froh, dass es für das Ziel, dass wir in dieser kurzen Zeit gemeinsam erreichen wollen, bereits eine Auswahl, eine Struktur, ein Gerüst und ja eigentlich sogar schon Texte, Lichteinsätze, Musik etc. gibt. Für mich ist es bizarr, dass ich in dieser Corona-Blase annehmen musste, dass das jetzt die neue ernst zu nehmende Realität ist: Ich hänge zuhause vor meinem Computer und versuche, das Arbeitsich wieder zu aktivieren. Ich widme mich jetzt also als Auftrag einem Thema, bei dem es um die Zur-Verfügung-Stellung des eigenen Körpers, der Achtsamkeit, der Bedürfnisregulation hinsichtlich einer Vereinbarung geht. Mir fiel es persönlich schwer, mich zur Verfügung zu stellen, obwohl mich das Projekt sehr interessiert. Die schauspielerische Arbeit beginnt für mich erst, wenn wir uns wirklich leibhaft sehen. Ich merke, wie wichtig die Leiblichkeit ist. Bei Zoom sehe ich zumindest schon mal Gesichter. Die Mail mit 2 mal 14 Anhängen wurde von einem Menschen geschickt und diese Frau sieht auch sehr nett aus. Jetzt fehlen noch die Begegnung und die Arbeit im Raum.

Ihr bildet zu viert – als Performer_innen – unterschiedliche Perspektiven und Haltungen auf dieses Thema ab und auf der anderen Seite schlüpft jede_r von euch in eine Rolle, tritt mit dem Publikum in den Dialog und schafft eine intime Begegnung mit einer Figur. Stefanie, du verkörperst die Rolle einer amerikanischen Leihmutter und triffst das Publikum zu einem Blind Date. Das Publikum übernimmt u. a. die Rolle der Wunscheltern. Wie ist denn in Amerika Leihmutterschaft geregelt. Wie viel verdienen die Frauen?

Stefanie: Es gibt in gewissen Bundesstaaten in den USA sehr viele Agenturen, die Leihmütter vermitteln. Die Frauen durchlaufen gesundheitliche und psychologische Tests, sie werden gescreent und dann je nachdem ausgewählt und in die Kartei aufgenommen. Die Agenturen stellen den Kontakt zu Wunscheltern her, dann findet ein Blind Date – ein Match-Talk – statt: Man lernt sich kennen und befragt sich gegenseitig. Eventuell kommt es dann zu einer vertraglichen Einigung. Der Leihmutter wird eine durch In-vitro-Fertilisation befruchtete Eizelle, ein Embryo eingesetzt. Dabei handelt es sich aber nicht um das Erbgut der Leihmutter. Die Leihmutter ist quasi eine Tragemutter. Sie trägt eine Eizelle von der Wunschmutter und/oder das Sperma vom Wunschvater aus (bei homosexuellen Paaren gestaltet sich der Prozess anders, da kommt noch eine Eizellenspenderin oder ein Spermaspender ins Spiel). Und dafür bekommt sie eine Kompensation von 30.000 Dollar. Nach der Geburt endet dann der Vertrag. Es gibt Verträge, in denen ein Kontakt-Wunsch vermerkt ist. In Kalifornien sitzt der Großteil dieser Agenturen. Diese Agenturen arbeiten national aber auch transnational. Und es werden nicht nur heterosexuelle Paare, sondern alle möglichen Paar-Konstellationen für die Erfüllung ihres Kinderwunsches zugelassen. In Deutschland hingegen ist Leihmutterschaft gesetzlich verboten und teilweise moralisch verpönt.

Du sprachst gerade von einer Kompensationszahlung von 30.000 Dollar. Das erscheint mir nicht wahnsinnig viel Geld zu sein, dafür dass man ein Kind austrägt und gebiert. Deine Aufgabe ist es, eine Frau zu verkörpern, die ihren Körper zu Verfügung stellt, um für jemand anders ein Kind auszutragen. Wo verortest du die Motivation der Figur, wenn die Entlohnung für diese Arbeit so gering erscheint?

Stefanie: Ich wollte kurz anmerken, dass 30.000 Dollar nur die Summe ist, die die Leihmutter bekommt. Für die Wunscheltern entstehen noch deutlich mehr Kosten: Sie übernehmen Reisekosten, medizinische Kosten, Krankenhaus-Aufenthalt, In-vitro-Fertilisation etc. Die 30.000 Dollar sind also tatsächlich nur die Summe, die die Leihmutter für ihre 9-12-monatige Arbeit bekommt. Ich dachte eben, als du das sagtest, wer bestimmt, was viel oder wenig ist? Was kostet ein Blowjob? 30 Euro oder 60 Euro? Wer „bepreist“ das, für wen ist was viel, oder eben nicht? Man könnte z. B. von dem ausgehen, was man sich davon kaufen möchte. Was ist der Sehnsuchtsgegenstand, den ich mir durch diese Arbeit leisten könnte? Wenn ich jetzt denken würde, dafür kann ich mir nicht mal ein VW California kaufen und das wäre etwas, wofür ich es machen würde, dann sind 30.000 Dollar natürlich wenig. Aber die Summe kann natürlich auch wahnsinnig viel sein. Oftmals kommen diese Frauen aus der Working Class, können so für die Ausbildung ihrer Kinder sparen oder sich als Familie mal was leisten. Außerdem kann man es als Win-Win-Situation betrachten, denn man hilft ja gleichzeitig Menschen, sich ihren größten Wunsch zu erfüllen. Für mich persönlich wäre das emotional wahnsinnig krass, denn Schwangerschaft und Kinder-Bekommen ist für mich insgesamt ein riesen Ding. Ich habe nämlich selbst noch keine Kinder. Wenn ich bereits zwei Kinder hätte, wäre das vielleicht etwas anderes. Und es gibt zum Beispiel eine Leihmutter, die sagt, sie sei süchtig nach Schwangerschaften. Dann sind 30.000 Dollar natürlich ein super Preis.

Welche Rolle spielt im amerikanischen Kontext Religiosität bzw. der Glaube? Versuchst du, diesen Aspekt in deine Rolle zu integrieren?

Stefanie: Die Rolle, die ich erfülle, ist keine reale Person. Diese Figur ist aus viel Recherche-Material entstanden, ist also letztlich ein Patchwork-Gefäß davon und von einem Interview mit einer realen amerikanischen Leihmutter. Hätte ich geschmiedet und das Gefäß erstellt, weiß ich nicht, ob der Aspekt des Glaubens seinen Weg in die Figur gefunden hätte. In meinem Rollen-Entwurf ist das angelegt. Die Figur glaubt an Gott, für sie ist jedes Kind ein Geschenk Gottes. Und deshalb würde sie auch keine Selektion vornehmen. Wenn das Kind beispielsweise Trisomie 21 hat, dann trägt sie es trotzdem aus. Was eingesetzt wird und wächst, wird auch ausgetragen. Für sie ist Gottes Wille Fruchtbarkeit und Reproduktion, egal wie das zustande kommt. Für mich stellt sich die Frage, ob es nicht auch Gottes Wille ist, dass nicht alle Menschen mit Fruchtbarkeit gesegnet sind. Letztlich ist es eine Frage der Auslegung. Viele Gläubige würden sagen, es ist für mich nicht vorgesehen, sonst hätte Gott mir einen dicken Bauch gemacht. Hat er aber nicht. Ich kann meine Nächstenliebe anders ausleben, durch Adoption oder Ähnliches.

Ich habe das Gefühl, du ringst auf der einen Seite um eine persönliche Haltung, auf der anderen Seite versuchst du deine Figur zu verstehen und ihre Entscheidung nachzuvollziehen.

Stefanie: Für mich ist das eine große Verantwortung, eine große Frage und wahrscheinlich auch noch eine Reise. Ich frage mich als Darstellende, ob ich diese Rolle als glaubwürdige Figur verkörpern soll, denn dann ist meine persönliche Meinung sowieso egal. Auf der anderen Seite gestalte ich mit dieser Figur den Diskurs in diesem Projekt mit. Wie ambivalent lege ich die Figur an. Wenn ich zum Beispiel vom Publikum gefragt werde, wie ich auf diesen Leihmutterjob gekommen bin, will ich dann sagen, ich habe es in einer Zeitungsannonce gelesen? Damit mache ich stark, dass Agenturen neue Angestellte suchen. Oder will ich sagen, meine Schwester konnte keine Kinder bekommen und das hat mir so zu schaffen gemacht. Versuche ich also, das Publikum über Einfühlung für die Sache zu gewinnen. Oder nehme ich den ambivalenteren Weg: Man kann die Wünsche nachvollziehen, aber letztlich ist es ein Markt. Oder möchte ich sagen, es ist ein Markt und ich habe kein Problem damit. Ich tu bei diesem Job immerhin noch was Gutes. Welche moralischen Angebote mache ich. Das ist meine große Frage!

Atischeh, du hast iranische Wurzeln und spielst in dieser Performance eine indische Ärztin, die indische Leihmütter betreut. In Indien ist alles möglich, heißt es an einer Stelle. Wie ist die Situation in Indien und welche Haltung hast du persönlich dazu?

Atischeh: In Indien ist Leihmutterschaft auf alle Fälle am günstigsten. Für die Frauen, die das machen, ist es aber ein riesiger Verdienst! Sonata meinte, sie könnten ihr Leben lang Steine schleppen und würden trotzdem nicht so viel verdienen, wie bei einer Leihmutterschaft. Aus unserer Sicht ist es natürlich wenig. Den Frauen ermöglicht das aber, ihre Kinder auf eine gute Schule zu schicken, sodass diese dann wiederum die Möglichkeit haben, zu studieren und aus dem Elend auszubrechen. Oder sie bauen sich ein Haus, anstatt in Wellblechhütten zu leben. Oder sie ermöglichen es ihren Männern, ein Geschäft aufzubauen. Tatsächlich sind die Männer dieser Frauen oft arbeitslos und erlauben es ihren Frauen genau aus diesem Grund. Es steckt also immer eine finanzielle Not dahinter. Wobei die Religiosität ein bedeutender Aspekt ist: Im Hinduismus gibt es eine Geschichte, in der Lord Krishnas Bruder von einer Leihmutter ausgetragen wurde und deshalb von einem bösen König nicht ermordet werden konnte. Die Weissagung seines Mordes ist nicht eingetreten, da er eine Leihmutter hatte. Diese Geschichte wird oft zitiert. Zudem bedeuten Kinder – übrigens auch in meinem kulturellen Background – Reichtum. Als unfruchtbare Frau wird man stigmatisiert. Eine Leihmutter tut der Wunschmutter also etwas Gutes. Diese Solidarität unter Frauen ist in Indien eine starke Motivation. Und diese gute Tat wird dann auf dem Karma-Konto gutgeschrieben. Die Frauen erzählen sich auch gegenseitig dieses Narrativ, wenn sie gemeinsam in diesen Kliniken ihre Zeit der Schwangerschaft verbringen.

Sie tun also mit der Leihmutterschaft etwas für ihr nächstes Leben … Du hast vorhin kurz den Namen Sonata erwähnt. Sonata ist die indische Journalistin und Performerin, welche die Rolle ursprünglich recherchiert und gespielt hat. Sie hat im Zuge ihrer Recherche mit über 70 indischen Leihmüttern gesprochen. Was hat sie dir von deren Situation berichtet?

Atischeh: Sie hat zu allererst bekräftigt, dass diese Frauen das aus freien Stücken machen. Alle Frauen, die sie interviewt hat, sagten ihr, dass sie das selbst wollten. Da herrschte kein Zwang. Sonata hat mir viel vom indischen Kastensystem erklärt. Die meisten Leihmütter kommen aus der unteren Kaste, sind ungebildet, können nicht mal lesen oder schreiben. Sie können also diese Verträge nicht unterschreiben, das geht nur mit einem Daumenabdruck. Der Vertrag wird ihnen vorgelesen, sie können das gar nicht nachprüfen. Sie werden von den höheren Kasten sehr von oben herab behandelt. Ich denke immer – ich würde diese Frauen anders behandeln, ich würde ihnen anders begegnen. Sonata sagt, sobald du das machst, wirst du ausgenutzt. Das ist Teil dieser Mentalität, es gibt bestimmte Regeln, nach denen man sich zu verhalten hat. Auch wenn man helfen möchte, darf man nicht zu sehr auf Augenhöhe agieren. Man hilft von oben herab!

Deine Rolle behandelt die Leihmütter tatsächlich sehr von oben herab. Sie ist bevormundend und herrisch. Möchte diese Ärztin also eigentlich etwas Gutes tun, oder siehst du auch eine Profitgier? Und was weißt du über die reale indische Ärztin Nayna Patel, die für deine Figur eine Vorlage war?

Atischeh: Sonata meint, die Ärztin muss so hart sein, damit sie Respekt bekommt und die Leihmütter ihre Hilfe überhaupt annehmen können. Gleichzeitig wird Nayna Patel fast wie eine Gottheit angesehen. Ich zitiere eine Frau, die meinte „Gott ist da oben und gleich darunter ist Nayna Patel“. Diese Frauen nehmen die Ratschläge von Nayna Patel auch wirklich an. Und nicht nur die. Während der Hormonbehandlung dürfen die Frauen keinen Sex mit ihren Ehemännern haben. Selbst die Ehemänner gehen zu Dr. Patel und nehmen ihre Ratschläge an. Anders als im Islam, respektieren die Männer die Meinung einer Frau aus der oberen Kaste. Die Ärztin hat zudem eine sehr verantwortungsvolle Position: Sie muss die Gesundheit der Leihmütter gewährleisten. D. h. sie muss sich auch Gehör verschaffen können. Denn es geht neben dem Wunsch zu helfen, etwas Gutes zu tun, auch um ein Gelingen des Auftrags für die Wunscheltern.

Im Stück werden auch die unterschiedlichen feministischen Positionen zum Thema Leihmutterschaft verhandelt. Zum Beispiel ob es ein Akt der Ermächtigung ist, den Frauenkörper, die Gebärmutter als Arbeitsinstrument zu nutzen. Oder ob das eine Form von Ausbeutung von Frauenkörpern ist. Wie geht es euch damit?

Atischeh: Ich finde es toll, dass die Frauen in Indien z. B. die Möglichkeit haben, sehr viel Geld zu verdienen. Ihnen wird z. B. während der Zeit der Schwangerschaft geholfen, sie können sich fortbilden, lesen und schreiben lernen. Sie können an ihrem Selbstwert arbeiten. Natürlich ist der Aspekt des Ausbeutens immer mit dabei. Aber grundsätzlich würde ich sagen, es ist eine Ermächtigung.

Stefanie: Ich habe sehr unterschiedliche Haltungen dazu, die sich zum Teil wahnsinnig widersprechen. Wenn ich davon ausgehe, dass Selbstbestimmung ein Grundrecht für alle Menschen ist, dann würde ich sagen, es muss diese Chancengleichheit geben und alle müssen sich selbstbestimmt entfalten können. Die Biologie und die Technologie machen Leihmutterschaft möglich. Sobald also der Wunsch und die Möglichkeit der Umsetzung dieses Wunsches da sind, finde ich es sehr schwer, moralisch einzugreifen. Denn in dem Moment, wo es möglich und gewollt ist, wird sich sowieso ein Markt finden. Es geht also darum, das Kindeswohl zu sichern, eine Rechtslage hervorzubringen, sodass alle Beteiligten – Wunscheltern wie Leihmütter, Kinder und Vermittler, die ja auch Verantwortung übernehmen, geschützt sind. Leihmutterschaft muss also unbedingt legal sein. Gleichzeitig frage ich mich, glaube ich an Gott, an Moral, an kulturelle Konstrukte – wieso frage ich mich, ob es richtig ist, dass man sich wider der Natur verhalten kann? Muss jedes Bedürfnis umsetzbar sein? Der Mensch bringt viel Potenzial zum Machtmissbrauch mit. Da gibt es auch viele Negativ-Beispiele. Bin ich also Pro-Selbstbestimmung? Intuitiv würde ich sagen, ich bin für Leihmutterschaft, aber dann im eigenen Land und am besten nur für Freunde und ohne diesen Markt. Aber wahrscheinlich muss man auch zwischen Freunden Kontrakte aufsetzen … Ich bin gerade in diesem Dazwischen total „lost“. Denn gleichzeitig geht es natürlich auch um alternative Familienmodelle und diese Alternativen schaffen ja auch eine neue Realität, neue Möglichkeiten.

Zu Beginn des Probenprozesses hat euch Sophia Stepf, die Regisseurin, gefragt, für wie viel Geld ihr selbst eine Leihmutterschaft übernehmen würdet. Was war damals eure Antwort und würdet ihr jetzt eine andere Summe nennen?

Stefanie: Ich konnte keine Zahl nennen. Ich dachte nur, es würde mir helfen, die Person gut zu kennen. Eine bestimmte Beziehungsbasis müsste gegeben sein. Außerdem wäre es für mich sehr schwer, mich emotional und psychisch abzuspalten. Ich müsste also ein so begehrenswertes Ziel vor Augen haben, das einen Wert hat, für den ich das machen würde. Also etwas, das mein Leben prägt und maßgeblich verändert. Außerdem müsste ich bereits zwei Kinder haben. Mein eigener Kinderwunsch müsste bereits abgeschlossen sein. Es entspricht mir einfach nicht, eine Summe zu nennen. 50, 100, 500 Tausend?

Atischeh: (Lacht) Ich würde es für dich machen, Steffi. Ich war, glaube ich, die Günstigste. Meine Bedingung war, dass ich die Person kenne. Und dass ich über das Schicksal der Kinder Bescheid wüsste. Ich hätte immer das Gefühl, ich muss wissen, dass es ihnen gut geht. Außerdem müssen die Kinder auch wissen, dass sie durch mich geboren wurden. Sie sollen bestimmten Fragen als erwachsene Menschen stellen können, z. B. warum hast du das gemacht? Also mit meiner Summe kann man sich nicht mal eine Wohnung kaufen, wenn ich so recht darüber nachdenke. Ich hab 100.000 Euro gesagt.

Stefanie: Also wenn man weiß, dass die Leihmütter in Amerika das für 30.000 Dollar machen, kann ich erst recht keine Summe mehr festlegen. Ich empfinde dann den Markt als Regulativ. Ich soll also viel mehr wert sein, als die da?

Es bleibt in Deutschland sowieso eine rein hypothetische Frage … Vielen Dank für das Gespräch, Stefanie und Atischeh!

Das Interview führte Anna Gojer