Imitation of life (Foto: Marcell RÉV/Proton Theater)
So auch in seiner 2016 entstandenen Proton-Produktion IMITATION OF LIFE, für die Mundruczó und die Autorin Kata Wéber, mit der er meist zusammenarbeitet, ebenfalls zwei eigenständige Geschichten zusammenfügten. Für diese Studie über Identitäten und Realitäten in einem zunehmend extremistischen Europa war Mundruczó im gleichen Jahr für den Deutschen Theaterpreis Der Faust als bester Regisseur nominiert. Eine alte Frau, Angehörige der Minderheit der Roma, soll aus ihrer vollgestopften, bis ins kleinste Detail nachgestalteten Budapester Altstadtwohnung vertrieben werden. Als sie von ihrem verlorenen Sohn erzählt, der seine Herkunft als Rom verleugnet, und plötzlich einen Herzanfall bekommt, versucht der Vertreter der Immobilienfirma in einem Anflug von Mitgefühl einen Notarzt herbeizurufen. Dieser will sich nur für „richtige“ Ungarn beeilen; die alte Frau bleibt allein zurück. Plötzlich bricht ein Gewitter los und dann kommt es zu einem atemberaubenden, magischen Moment, als sich das gesamte Bühnenbild langsam über mehrere Minuten um 360 Grad dreht und alles, was nicht niet- und nagelfest ist, zu Boden fällt – von Schrauben und Nägeln bis zu einer massiven Waschmaschine. Ein eindrucksvolles Bild für ein Leben, das zerstört wird, für eine Welt, die aus den Fugen ist. In die noch derangierte Wohnung der Verstorbenen zieht nun eine junge Frau ein, die vor ihrem gewalttätigen Partner geflohen ist und vor der Hausverwaltung verheimlichen muss, dass ihr kleiner Sohn bei ihr wohnen wird – Kinder sind nicht gestattet. Mundruczó erzählt zwei einfache, alltägliche Geschichten, die aber eindringlich und beiläufig zugleich gesellschaftliche Probleme wie Rassismus, Ausgrenzung, Wohnungsnot und häusliche Gewalt thematisieren, und verbindet sie mit einem spektakulären, inhaltlich treffenden Theaterzauber.